Höchstleistungen und zwei Glücksgriffe

Konzertkritik von Erwin Fronhöfer zur Aufführung von Bachs "Jesu meine Freude"
am 4. Juli 2004

Copyright Braunschweiger Zeitungsverlag 2004. Erstveröffentlichung 07.07.2004

Helmstedter Bachkantorei und Hannoversche Hofkapelle gaben ein bewegendes Konzert in der St.-Stephani-Kirche


Von Erwin Fronhöfer

HELMSTEDT. Der Besuch beim Kantoreikonzert am Sonntag in der Helmstedter Kirche St. Stephani war durchaus zufriedenstellend, aber es gab noch freie Plätze. Was auch immer die Gründe dafür gewesen sein mögen: Bei diesem attraktiven Konzertprogramm ist das nicht ganz verständlich.
Wie schon beim letztmaligen Konzert war auch diesmal wieder die Bachkantorei vor der Orgelempore platziert und davor dann der Klangkörper. Die Bänke wurden umgedreht. Die Zukunft wird zeigen, welche Form auf Dauer sich durchsetzen wird, noch gehen die Publikumsmeinungen auseinander. Für den Beginn des Konzertes hatte Propsteikantor und Leiter der Bachkantorei Mathias Michaely die Motette „Jesu, meine Freunde“ BWV227 von Johann Sebastian Bach gewählt. Intensive Probenarbeit mit seinem Chor zeichnet seit vielen Jahren Mathias Michaely aus, und auch bei diesem Konzert war die absolute Verbindung zwischen Dirigent und der Bachkantorei zu spüren. Dazu kam ein erster Glücksgriff, ein Barockensemble der Spitzenklasse. Die Hannoversche Hofkapelle, bestehend aus neun Damen und zwei Herren, der ein ausgezeichneter Ruf vorausging, zeigte von Anfang an, dass sie alle virtuose Musiker sind. Schon die Eingangssequenz „Jesu, meine Freude, meines Herzens Weide“ ließ in ihrer lichthaften Durchsichtigkeit aufhorchen. Obwohl nur eine Orchesterprobe stattgefunden hatte, lag wohltuende Spannung über der Motette, und die Koloraturen des Chores vereinigten sich mit denen der überragenden Solisten – der zweite Glücksfall – Katharina Hohlfeld (Sopran), Claudia Erdmann (Alt), Sven Erdmann (Tenor) und Michael Humann (Bass) zur klanglichen Einheit. Als Übergang zu Wolfgang Amadeus Mozart spielte dann die Hannoversche Hofkapelle, als reines Ensemble, ohne Dirigenten, nur nach Leitfährte der ersten Geigerin, das „Concerto primo in D“ von Corelli (1653–1713).Vom Leben dieses „Virtuosasimo del Violine“, wie ihn seine Landsleute nannten, weiß man wenig. Vor 1680 soll er in München, Heidelberg, Hannover und Paris gewesen sein, um dann in Rom ein umfangreiches Gesamtwerk zu schaffen. In sieben Sätzen, abwechselnd langsam/schnell zog eine Melodienfülle vorüber, die bei solch mitreißendem Spiel geradezu aufblühte. Viel Beifall setzte ein und verwundert registrierte man, dass beim Bach dieser verdiente Lohn vermisst wurde, denn selten hat man die Bach-Motette so schön gehört. Absoluter Höhepunkt war bei diesem beglückenden Konzert die „Missa Brevis in G, KV140“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Zwischen Gloria und Credo erklang die „Kirchensonate G-Dur, KV241“ und bildete so die Überleitung zu den verinnerlichten Teilen: Sanotus, Benedictus und Agnus Deus. Die Helmstedter Bachkantorei schwelgte in der Mozartschen Melodienpracht. Kantor Mathias Michaely hielt die trefflichen Solisten, den engagierten Chor und das Instrumentenensemble bestens zusammen. Der Applaus für diese hervorragende Konzertstunde war langanhaltend und zeigte wieder einmal, dass Michaely und die Bachkantorei ihren Zuhörern immer wieder Höchstleistungen bieten. Diesmal kamen Solisten dazu, die keine Wünsche offen ließen, und ein Orchester, das beträchtliches Können vorweisen konnte – kurz und gut: Es war ein bewegendes Konzert. Auf die Auftritte im Winter darf man sich schon heute freuen.

Vom 7.7.2004 / BZ-Archiv